Die Problematik weist auch eine unionsrechtliche Komponente auf. Nicht abschließend geklärt ist nämlich die Frage, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, die in Umsetzung europäischer Richtlinien im deutschen Recht vorgesehenen Widerspruchs- oder Widerrufsrechte unter Rückgriff auf Treu und Glauben einzuschränken (§ 242 Rn 1247). Der BGH hat diese Frage in neuerer Zeit mit Blick auf das sog. Policenmodell im Versicherungsvertragsrecht (§ 5a VVG a.F.) wiederholt bejaht. Die Autoren stimmen dieser Rechtsprechung dahingehend zu, dass einer missbräuchlichen Berufung auf Unionsrecht über § 242 BGB entgegengewirkt werden kann (§ 242 Rn. 1247a).
Von hohem Interesse ist auch die neue Rechtsprechung des BVerfG zu den verfassungsrechtlichen Grenzen des vom BGH bislang auf § 242 BGB gestützten Auskunftsanspruchs des Scheinvaters gegen die Mutter über den mutmaßlichen Vater des Kindes. Die Autoren wenden sich kritisch gegen die Auffassung des BVerfG, dass das Auskunftsinteresse des Scheinvaters mangels gesetzlicher Grundlage generell hinter dem Persönlichkeitsschutz der Mutter zurücktreten muss (§ 242 Rn. 973).
Bei der rechtsvergleichenden Betrachtung von Treu und Glauben werden die Auswirkungen der Reform des französischen Vertragsrechts von 2016 eingehend gewürdigt (§ 242 Rn. 1164 ff.). Dabei wird insbesondere betont, dass der Anwendungsbereich von Treu und Glauben durch den neuen Art. 1104 Code Civil ausdrücklich auf die Vertragsanbahnung ausgeweitet worden ist. Der neue Art. 1112 Abs. 1 Code Civil sieht außerdem vor, dass die Parteien bei der Einleitung und Durchführung sowie beim Abbruch von Vertragsverhandlungen den Anforderungen der „bonne foi“ genügen müssen.
Professor Dr. Dirk Olzen und Professor Dr. Dirk Looschelders, Universität Düsseldorf
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